
Reformschulen damals und heute
Am 17. Dezember 2025 wurde aus intensiver Vorbereitung ein lebendiger Austausch: In einer gemeinsamen Sitzung traf das Universitätsseminar von PD Dr. Jörg W. Link auf den Deutsch-Leistungskurs der Jahrgangsstufe 12 der Grace-Hopper-Gesamtschule unter der Leitung von Herrn Otto. Studierende und Schülerinnen und Schüler arbeiteten über mehrere Stunden gemeinsam und diskutierten auf Augenhöhe ein Thema, das historische Perspektive und Gegenwartsbezug unmittelbar verbindet: den Vergleich von Schulentwicklung und Schularchitektur in den Reformschulen der Weimarer Republik und an der Grace-Hopper-Gesamtschule heute.
Im Zentrum stand die Leitfrage, wie pädagogische Leitideen Räume prägen – und umgekehrt, wie Räume Lern- und Schulkultur ermöglichen oder begrenzen. Ausgehend von reformpädagogischen Programmen der 1920er Jahre wurde sichtbar, dass Schulbau damals nicht nur „Hülle“, sondern Teil eines pädagogischen Anspruchs war: Licht, Transparenz, Fachräume, Werkstätten, gemeinschaftliche Bereiche und die Öffnung zum Außenraum sollten eine neue Lernkultur unterstützen. Die Teilnehmenden diskutierten, welche Vorstellungen von Bildung, Arbeit, Gemeinschaft und Selbstständigkeit in Architektur eingeschrieben sind – und wie sich diese Vorstellungen in Grundrissen, Nutzungslogiken und Alltagsroutinen niederschlagen.
Daran anschließend richtete sich der Blick auf die Gegenwart. Am Beispiel der Grace-Hopper-Gesamtschule wurden aktuelle Fragen der Schulentwicklung betrachtet: Wie lassen sich problem- und projektorientiertes Lernen, produktorientierte Formate sowie fächerverbindender Unterricht räumlich und organisatorisch stärken? Welche Rolle spielen Lernlandschaften, Differenzierungsräume, digitale Infrastruktur, Maker-Spaces oder multifunktionale Bereiche für schulische Kultur und Unterrichtspraxis? In der Diskussion wurde deutlich, dass auch heute bauliche Entscheidungen nicht neutral sind: Sie wirken auf Zusammenarbeit, Unterrichtsgestaltung, Verlässlichkeit im Ganztag und das soziale Miteinander.
Besonders gewinnbringend war der Austausch über Perspektiven und Arbeitsweisen. Die Studierenden brachten wissenschaftliche Zugänge und historische Kontexte ein, der Leistungskurs verknüpfte diese mit konkreten Erfahrungen aus dem Schulalltag und aktuellen Entwicklungszielen. In Arbeitsphasen wurden Beispiele gesammelt, Thesen formuliert und im Plenum diskutiert: Wo liegen überraschende Parallelen zwischen Reformansprüchen der Weimarer Zeit und heutigen Entwicklungszielen? Wo unterscheiden sich Rahmenbedingungen – etwa durch Digitalisierung, Ganztag, Inklusion und veränderte Anforderungen an Betreuung und Kooperation? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Gestaltung von Schule als Lern- und Lebensraum?
Die gemeinsame Sitzung war damit ein gelungenes Beispiel für Lernortkooperation: Universität und Schule trafen sich nicht in einem Vortragsformat, sondern in echter Zusammenarbeit. Für die Schülerinnen und Schüler wurde erfahrbar, wie historische Bildungsdebatten in aktuelle Schulentwicklungsfragen hineinwirken. Die Studierenden erhielten zugleich einen unmittelbaren Einblick in eine Schule, die Schulentwicklung als kontinuierliche Aufgabe versteht und bauliche Rahmenbedingungen bewusst als Teil ihres pädagogischen Profils reflektiert.
Wir danken Dr. Jörg W. Link für die Kooperation und die anregende Leitung des Austauschs sowie allen Studierenden und dem Deutsch-Leistungskurs für die intensive Vorbereitung und die konzentrierte, respektvolle Diskussion. Die gemeinsame Sitzung soll Auftakt für weitere Formate sein, in denen historische Perspektiven und schulische Gegenwart produktiv miteinander ins Gespräch gebracht werden.